Gepackt sind die sieben Sachen, zurückgelassen wird die Heimat in Nordrhein-Westfalen. An die Costa Verde, in den Norden Portugals soll es gehen. Ich habe mit dem Auswanderer Timo gesprochen, der sich seinen Traum von einer eigenen Wassersportschule verwirklicht hat und heute die Sonnenseite des Lebens geniesst.

Den Traum, das eigene Land zu verlassen, seine Zelte abzubrechen und an einen neuen Ort zu ziehen, vielleicht sogar an einen, an dem nicht nur das Wetter ein anderes Verhaltensmuster an den Tag legt, sondern auch die Kultur eine ganz fremde ist – diesen Traum hegen viele von uns. Doch wer hat tatsächlich den Mut, seine Sachen zu packen, sich von seinen Liebsten zu verabschieden und ein ganz neues Leben zu beginnen? Wahrscheinlich die wenigsten von uns. Um so interessanter ist es doch, mit jemandem zu sprechen, der diesen grossen Schritt gewagt hat und ihn nicht bereut. Und genau so jemanden habe ich gefunden, dessen Geschichte mich so wahnsinnig fasziniert hat, dass ich sie euch nicht vorenthalten will.

Auswandern – Warum eigentlich nicht?

Was tun, wenn die Leidenschaft für den Wassersport ins Unermessliche wächst, in Nordrhein-Westfalen die Bedingungen fürs Kitesurfen, Wellenreiten und Stand-Up-Paddeln aber eher suboptimal sind? Na, an die Costa Verde, nach Portugal auswandern, ist doch klar! Zugegeben, was so einfach klingt, will ein wohl überlegter Schritt sein. Denn das Risiko, seine Zelte im eigenen Land abzubrechen und sich von all dem zu trennen, was man bis dato angestrebt hat, ist doch ziemlich gross. Aber nun mal langsam und ganz von vorne.

Vom Traum zum Beruf

Als ich gehört habe, dass Timo seinen Traum zum Beruf gemacht hat, indem er seit einigen Jahren in Moledo, Portugal lebt und dort die AllYouCanSurf-Schule betreibt, hat es mich nicht lange auf meinem Sitz gehalten, den Hörer in die Hand zu nehmen und diesen Mann anzurufen. Zu gern wollte ich genau erfahren, was ihn dazu bewegt hat, sich nicht nur selbständig zu machen, sondern gleichzeitig auch noch in ein fremdes Land zu ziehen. Also machte ich mit ihm einen Termin aus, um mir seine Geschichte erzählen zu lassen – schliesslich konnte ich so bei jedem noch so kleinen Punkt nachhaken, der mich interessierte und mir bis ins kleinste Detail von seinem Abenteuer erzählen lassen. Auf Anhieb kamen wir ins Gespräch und ohne, dass ich gross nachfragen musste, hat er mir von all den Dingen erzählt, die mir auf der Seele brannten, zu erfahren.

Entgegen meiner anfänglichen Vermutung, dass Timo bereits im Kindesalter auf dem Surfbrett stand und sich deswegen seinen Traum einer eigenen Surfschule erfüllte, wurde ich gleich zu Anfang unseres Gesprächs eines Besseren belehrt. Zwar waren die verschiedensten Sportarten, wie zum Beispiel Fussball, Tennis, Judo und Lenkdrachen fliegen ein grosser Bestandteil seiner Kindheit – das erste mal auf einem Surfbrett stand er jedoch erst mit knapp 17 Jahren und hat sich das Surfen selbst beigebracht als er mit seinen Freunden das erste Mal an den Atlantik fuhr. Nichts desto trotz war er schon in frühen Jahren eine richtige Wasserratte und was heute das Surfbrett ist, war damals ein Snowboard – früh übt sich.

Kein grosses Wunder also, dass für Timo ein Studium der Sportwissenschaften in Frage kam. Und so standen natürlich weitere Sportarten auf dem Stundenplan, unter anderem das Segeln sowie eine Windsurfexkursion, an der Timo mit grosser Begeisterung teilnahm. Im Fokus des Studiums stand aber vor allem das Unterrichten von Sportarten – was ihn dazu brachte, während seiner Studienzeit sage und schreibe 15 verschiedene Sportarten zu lehren. Warum mit dieser Fähigkeit also nicht nebenbei Geld verdienen? Gesagt, getan – wer die Theorie im Kopf hat, kann sie auch ebenso gut in die Praxis umsetzen. Und so brachte sich Timo innerhalb weniger Wochen das Kitesurfen selbst bei, um am Wochenende den Sport zu unterrichten, der schon bald seine eigene Leidenschaft entfachte. Das führte dazu, dass er gegen Ende seines Studiums vor der Entscheidung stand, seine Promotion zu beginnen oder aber einem Ruf des VDWS-Lehrteams zu folgen. Für Timo war allerdings schon immer klar, dass er beruflich das machen möchte, was ihm Spass macht. Und da er bereits seine Diplomarbeit übers Kitesurfen geschrieben hat, wurde der Gedanke bezüglich einer eigenen Kite-, Surf- und SUP-Schule immer konkreter. Seit 2011 ist er deshalb für den internationalen Verband als Ausbilder für Kitesurflehrer weltweit unterwegs, arbeitet in einem Team an Ausbildungskonzepten und sorgt für eine internationale Sicherung der höchsten Qualitätsstandards an Wassersportschulen.

Aber Timo wäre nicht Timo, wenn er nebenbei nicht noch eine Reihe anderer Qualifikationen hätte. Was ihm nämlich ebenfalls schon früh sein Interesse geweckt hat, ist die innere Zufriedenheit. Aus diesem Grund hat er im Jahr 2009 in Kooperation mit zwei Professoren die gemeinnützige Bildungseinrichtung Paidaia gegründet, um sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche während ihrer Identitätsfindung zu unterstützen. Derzeit absolviert er eine Ausbildung zum Coach der Wirtschaft und arbeitet mit Menschen gemeinsam daran, den Sinn im Leben zu finden. „Jeder Mensch sollte frei von gesellschaftlichen Zwängen sein und das tun, was ihn glücklich macht“, erklärt er mir und hat mich allein mit diesem Satz stark zum Nachdenken gebracht. Denn eins steht fest: Mit dieser Meinung hat er verdammt Recht. Wie so vielen Sportlern liegt Timo aber auch die Gesundheit und Ernährung sehr am Herzen, sodass er zugleich auch noch als Personal Trainer und Ernährungscoach arbeitet.

Ein echtes Allround-Talent oder einfach nur vielseitig interessiert? Was es auch ist – aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass man nicht häufig Menschen trifft, die ihr Ziel so klar vor Augen haben und genau wissen, was sie vom Leben erwarten. Und Timo weiss ganz genau was er will: „Mein Traum war es schon immer, damit Geld zu verdienen, was mich glücklich macht. Und so stand für mich fest, dass ich die Komponenten Sport, Ernährung und Geist miteinander in Einklang bringen will.“ Was macht einen schliesslich glücklicher als innere Zufriedenheit, ein gesunder Körper und ein Hobby, das einen an seine Grenzen bringt? Warum daraus also nicht ein Konzept formen? Surfschulen gibt es wie Sand am mehr – aber keine, die sowohl auf das seelische als auch auf das körperliche Wohl achtet. Aber nicht nur das war der Grundgedanke für die Entstehung von AllYouCanSurf. Bekanntlich ist jeder Surfsport ja an bestimmte Wetterbedingungen gebunden – wenn das Wetter also mal nicht mitspielt, hat man ganz einfach Pech gehabt. Aber will man Pech in den Ferien haben? Nein! Und genau aus diesem Grund kam Timo die Idee, AllYouCanSurf zu gründen.

AllYouCanSurf

  • Kitesurfen
  • Wellenreiten
  • Stand Up Paddling
  • Wave-Kiten
  • Katamaran Kite-Safari
  • Yoga
  • Fitness
  • Workshops
  • Trekking-Touren

Eine Wassersportschule, in der Urlauber nicht nur Surfen, sondern zugleich auch Kiten und Stand-Up-Paddling lernen können. Und für wen keines der drei Sportarten das Richtige ist, der macht vor Ort einfach Yoga, besucht Workshops zum Thema Ernährung oder Fitness, geniesst die wunderbare Natur oder unternimmt Tagesausflüge an die verschiedensten Orte in der Umgebung von Moledo. Schliesslich überzeugt das nahe gelegene Porto mit seinen Weinbergen und der exquisiten Kultur, in die spanische Stadt Vigo ist es nur ein Katzensprung und allem voran trumpft die Costa Verde mit einer atemberaubenden Naturkulisse aus Flüssen, Wäldern und Nationalparks. „Denn oft genug kommt es vor“, so sagt Timo, „dass uns Pärchen besuchen, von denen aber nur ein Partner Lust auf Wassersport hat. Um aber gemeinsam Ferien zu machen, muss ein Ferienort mehr bieten, sodass beide auf ihre Kosten kommen“. Und genau diese Vielseitigkeit an Möglichkeiten bietet die Costa Verde – was demnach also auch der Grund ist, warum es den jungen Sportler nach Moledo verschlagen hat.

Das Ziel sei ein Geheimtipp eines Freundes gewesen, verrät er mir. Zu der Zeit, als Timo das Projekt Existenzgründung in Angriff nahm, bestand dort noch keinerlei Konkurrenz – was in dieser Branche wirklich selten ist. Und dadurch, dass an diesem Ort günstige Bedingungen sowohl fürs Surfen und Kiten als auch fürs Stand-Up-Paddling herrschen, bietet Moledo ein Ferienparadies für Aktive – nicht zuletzt auch, weil es dort wesentlich weniger überlaufen ist als an der Algarve. So begeistert wie Timo mir von der idyllischen Natur und der vorherrschenden Ruhe erzählt hat, konnte ich mir Moledo bildlich vorstellen und habe dieses Ziel gleich auf meine imaginäre Reiseliste gesetzt.

Jede Auswanderung ist mit schlaflosen Nächten verbunden

Doch selbst, wenn man ein Konzept im Kopf hat und bereit ist, seinen Traum zu verwirklichen, fällt es einem dennoch schwer, diesen grossen Schritt zu wagen. Auch Timo hat diese Entscheidung zahlreiche schlaflose Nächte beschert, erzählt er mir. Ist es nicht verrückt, ein bzw. genauer gesagt gleich 3 Angebote zur Promotion und damit zur Erlangung des Doktortitels auszuschlagen und stattdessen eine Wassersportschule zu gründen? Ehrlich gesagt – ja. Und genau das wusste Timo auch, dennoch hat er sich dazu entschlossen, seinen Traum zu verwirklichen. Mit sechs Semestern Spanisch im Gepäck fiel es ihm zum Glück nicht all zu schwer, Portugiesisch zu lernen – was ihm das Leben in Portugal von Anfang an erheblich erleichterte. Knapp 15 Jahre sind seit der Idee bis zur tatsächlichen Umsetzung inzwischen vergangen, vier Jahre lebt Timo nun schon in einem fremden Land und führt mit Erfolg seine eigene Kite-. Surf- und SUP-Schule.

Doch wer glaubt, das genüge ihm, der kennt ihn schlecht. Insgesamt möchte Timo 5 bis 6 AllYouCanSurf-Schulen in verschiedenen Ländern eröffnen, die alle über den gleichen Standard verfügen und Timos hohen Ansprüchen an sport- und bewegungswissenschaftlicher Expertise gerecht werden. Brasilien hat dabei die Nase vorn, bereits 2016 ist die Eröffnung dort geplant. Auch ein eigenes Seminarzentrum in der Natur steht ganz oben auf seiner Liste mit Dingen, die er im Leben verwirklichen möchte. Ein Ort, an dem der Mensch in seiner Ganzheit betrachtet wird und all die Komponenten wie Zufriedenheit, Sinngenese, Gesundheitsbildung und -coaching in Kombination mit Stressreduktion, Yoga und Naturereignissen in den Fokus gerückt werden, um so ein glückliches und erfülltes Leben zu führen. Wer weiss, ob wir in wenigen Jahren nicht wieder etwas von ihm hören? ;-) Ich bin mir sicher, dass er uns alle auf dem Laufenden halten wird!

In der Nebensaison zurück in die geliebte Heimat

Ihr ahnt sicher schon, dass bei so vielen Plänen auch eine ganze Menge „Büroarbeit“ ansteht. Genau so sieht es aus – wenn die Saison in Portugal vorbei ist, beginnt für Timo sozusagen der Ernst des Lebens. Die Nebensaison verbringt er meist am Schreibtisch – und zwar in Deutschland! Denn ganz hat er seine Zelte hier nicht abgebrochen. Doch selbst, wenn er im Lande ist, hält es ihn nicht unbedingt nur an einem Ort. Immer wieder reist er herum, um Vorträge über die Themen Bewegung am Arbeitsplatz, Ernährung oder innere Zufriedenheit zu halten oder gibt Lehrgänge und bildet Kitesurferlehrer aus.

Fernweh war nicht der ausschlaggebende Beweggrund

Obwohl Timo wahnsinnig gerne um die Welt reist und schon alle Kontinente besucht hat, hatte ich das Gefühl, dass der Beweggrund für die Auswanderung gar nicht mal das Fernweh war. Zwar scheint er sich unglaublich in die portugiesische Küste, oder sagen wir gleich in die komplette Iberische Halbinsel, verliebt zu haben, dennoch war der Grund ein anderer. Was ihn selbst viel harte Arbeit gekostet hat, nämlich zu wissen, wo er im Leben steht und was er erreichen möchte, ist sein grösster Wunsch, auch anderen Menschen zu zeigen. Nämlich zu zeigen, was der individuelle Sinn im Leben eines jeden Menschen ist.

Verhaltensmuster, die einem jeden im Weg stehen, sollen abgelegt werden, stattdessen soll jeder realisieren, was ihm wichtig ist, um den individuellen Weg zur inneren Zufriedenheit zu erlangen. Natürlich liegt es nahe, dass sowohl Fitness und Ernährung für das körperliche Wohlbefinden eine wichtige Rolle spielen. Und da Kitesurfen nun mal seine Leidenschaft ist, vereint die Timo all diese Dinge im Konzept der Schule AllYouCanSurf und hat es so tatsächlich geschafft, die Dinge, die ihm am meisten am Herzen liegen, miteinander in Einklang zu bringen und zum Beruf zu machen. Ich kann euch sagen, nach unserem Gespräch, war ich sprachlos. Sprachlos vor Respekt und Bewunderung, was dieser Auswanderer auf die Beine gestellt hat. Und glaubt mir, ich bin mir sicher, dass wir noch einiges mehr von Timo hören werden.

 

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